Überraschender Weise trifft man in Südgrönland auf eine wunderschöne, grüne Landschaft. Der absolute Kontrast zu der weiten, weißen Welt des Eises. Den ersten Teil der Wunschreise sollen jedoch die faszinierenden Gletscher, Eisberge und Eisschilde bestimmen.
Die größte Insel der Welt ist zu 80 Prozent mit Eis bedeckt. Im Umkehrschluss ist damit nur eine Fläche in der Größe von Deutschland plus nochmal NRW und Sachsen eisfrei. Ob mit dem Boot, Helikopter oder zu Fuß, das Inlandeis ist von den Städten Südgrönlands leicht zu erreichen. Nach grünen Berghängen, weiten Wiesen und einer Tundra-Landschaft steht man plötzlich vor einer zumeist senkrecht in den Himmel reichenden Eiswand, der Beginn des Inlandeises. In einer optischen Farbenwelt von weiß und blau und türkis nehmen sie majestätisch ihren Platz ein. Wenn dann noch die Sonne auf sie trifft, gibt es kaum etwas Faszinierenderes als das Schimmern des Eises. Der Eisschild Grönlands ist ein unglaubliches Naturphänomen und heute nur noch dort und in der Antarktis zu sehen. Und über welche gewaltige Eismasse wir sprechen, kann man sich kaum vorstellen. Um es vielleicht zu veranschaulichen: Der globale Meeresspiegel würde um 7 Meter ansteigen, wenn diese Eismasse komplett schmelzen würde. 7 Meter – global. Eine andere Welt, dieses endlose Eis. Eine Welt, die bei einem Besuch in Südgrönland unbedingt entdeckt werden muss. Ganz Abenteuerlustige – vielleicht eher als Abenteuerverrückte bezeichnet – können die Eiskappe von Grönland auch von der Westküste zur Ostküste überqueren.
Durchquerung des grönländischen Inlandeises – ein Bericht von Michael Vogeley
Das Eis bestimmt an Land und im Meer
An der Küste von Südgrönland ziehen dann Eisberge und Treibeis vorbei. Ein tolles Naturschauspiel, welches von den grünen Berglandschaften aus beobachtet werden kann. Zu Wasser mit dem Boot oder aus der Luft mit dem Helikopter kann man den teilweise kilometerlangen Eisbergen näher kommen. Da wir diesen Anblick nur wenig gewöhnt sind, überrascht es einen, wie bezaubernd diese Kolosse sind. Und wie unglaublich riesig. Die Eisberge sind wie faszinierende Skulpturen. Immer wieder anders in Form und Farbe ist jeder ein Kunstwerk der Natur. Früher in der Kindheit lag man auf der Wiese und hat begeistert Gestalten und Gegenstände in Wolken gesehen, hier in Südgrönland sind es die Eisberge die phantasievolle Interpretationen zulassen. Vom Boot oder Kanu aus kommt es zu weiteren spektakulären Begegnungen, denn ganze fünfzehn Walarten tummeln sich in den Gewässern um Grönland, natürlich in Abhängigkeit von der Jahreszeit und der Küste. Vor Südgrönland sind das zum Beispiel Buckelwale oder Zwergwale. Und auch die Robben gehören zum Bild dazu, wenn die Schollen an Südgrönland vorüber ziehen. Das Donnern der kalbenden Gletscher, so nennt man das, wenn eine Eismasse abbricht, kündigt den nächsten Eisberg an, der ins Meer gelassen wird.
An dieser Stelle möchte ich keine breite Ausführung über die globale Erderwärmung bringen; Fakt ist, dass Eis schmilzt. Internationale Forscher sind durchaus der Meinung, dass das Inlandeis jährlich mehr abschmilzt als sich neu bildet und beobachten den seltenen Eisschild genau. Die Folgen wären für Tiere und Menschen verheerend.
Ein bisschen Geschichte, denn sie gehört zu Grönland dazu
Ca. 2500 v.Chr. kamen die ersten Eskimos nach Grönland und später weitere Einwanderer der Dorset-Kultur. Spannend wurde es als 982 der Wikinger Erik der Rote wegen Mordes aus Island verbannt wurde und nach Grönland kam. Der Name, den Erik mit seinem roten Haar und dem Blut an seinen Händen der Insel gab, heißt übersetzt Grünland. Mehr und mehr der Seekrieger besiedelten anschließend das Land. Aus dieser Zeit sind über 1.000 Wohn- und Kirchenruinen der nordländischen Siedler in Südgrönland immer noch erhalten und teilweise zu besichtigen. In der Mitte des 16. Jahrhunderts gab es die letzten Siedlungen der Nordmänner, dann verschwanden bzw. mischten sie sich mit den Inuit.Erst 300 Jahre später gab es erneute Grönlandexpeditionen seitens Dänemarks und Siedlungen, die in Abhängigkeit von Dänemark standen, wurden errichtet. Vor allem für den Walfang. Das zog sich durch das 18. und 19. Jahrhundert hindurch, in dem Grönland immer wieder von europäischen Walfängern aufgesucht wurde. 1814 fiel Grönland an Dänemark und 1921 erklärte das Land seine Hoheit. Die Norweger nahmen das irgendwann nicht mehr hin und erst 1933 nach einem Schiedsspruch des Internationalen Gerichtshofes gab Norwegen seine Ansprüche auf. Nach der deutschen Besatzung Dänemarks von April 1940 bis Kriegsende war Grönland stark abgeschnitten von Dänemark, wurde für die Überwachung von deutschen U-Booten genutzt und mehrere Luftstützpunkte nach dem Krieg erbaut, die auch im Kalten Krieg eine Rolle spielten. Seit 1953 war Grönland keine Kolonie Dänemarks mehr. Eine kulturelle Identitätskrise erlebten damals die Inuit, die mit der Konfrontation des Industriezeitalters nicht umgehen konnten. 1979 erlangte Grönland seine Selbstverwaltung, ist innenpolitisch also völlig unabhängig, außenpolitisch wird es durch Dänemark vertreten. 2009 wurde die Autonomiestatur durch eine Selbstverwaltungsordnung ersetzt.
Ein Leben zwischen Extremen – Licht und Dunkelheit
Während der Mitternachtssonne verliert die Zeit an Bedeutung. Die Sonne geht nicht unter und in der Nacht wird die Landschaft von der tiefstehenden Sonne in ein traumhaftes Bild aus rosa, violett, gelb, rot und blau gewandelt. Ungefähr im August wird es dann dunkel in Südgrönland. Die Polarnacht dauert am Nordpol bis zu sechs Monate an. Wenn man davon hört, wie depressiv wir Deutschen im Winter werden oder auch welche Verkaufszahlen Tageslicht-Lampen erreichen, kann man sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn die Sonne nicht mehr aufgeht. Ein blaues Dämmerlicht erscheint um die Mittagszeit herum, prinzipiell dienen aber die Sterne und der Mond als einzige Lichtquellen. Der tägliche Rhythmus fällt schwer einzuhalten und die Stunden am Tag, die man schläft, steigen an. Aber diese Zeit hat auch eine Faszination, denn es ist die Zeit der Stille und Gemeinschaft am Abend, die Zeit, Zeit zu haben. Und dann sind dort noch die Nordlichter.
Eigentlich kann man die tanzenden Nordlichter das ganze Jahr über beobachtet. Im Herbst und im Winter ist dieses allerdings besser, da hier weniger Wolken am Himmel und die Nächte dunkler sind. Elektrische Teilchen der Sonne treffen auf schwere Ionen in der Erdatmosphäre und senden nach kurzer Zeit ein Licht aus. Je nachdem auf welcher Höhe die Atome sich befinden und ob es Sauerstoff oder Stickstoff ist, nehmen die flatternden Lichter eine grüne, rote, gelbe oder gar violette Farbe an. Kann Physik schöner sein? Gleißende Bogen und Strahlen, Schleier und Girlanden – die intensiven Farben schießen in den Himmel und verschwinden dann wieder. Ein packendes Erlebnis, bei dem viele das Gefühl haben, die Weite des Kosmos zu spüren.